INTERVIEW MIT JONNE
18.02.2006 Gasometer, Wien


Finnrock Corner: Lass uns zu allererst über euer neues Album sprechen, was noch dieses Jahr in die Plattenläden kommt. Es ist mittlerweile schon euer drittes Album. Und einen kleinen Vorgeschmack daraus konnten wir beim Helldone Festival hören, wo ihr "Glory Of The Shame" vorgestellt habt. Was können die Fans von dem neuen Album nun erwarten?

Jonne: Es wird seelisch tief greifender und rauer sein. Und der Sound härter und mehr nach Rock'n'Roll klingen. Ich muss sagen, dass unser erstes Album mehr eine Ansammlung von Demoversionen war. Eine Menge der Songs sind zwischen 1997 und 2003 entstanden, wo wir noch nicht so viel Ahnung von der Arbeit im Studio hatten und auch nicht die Routine.
Und bei "Sweet & Deceitful" haben wir mit einem anderen Produzenten zusammengearbeitet und es auch in einem anderen Studio aufgenommen. Es war eine angenehme Atmosphäre, in der das Album entstanden ist und das hört man, denke ich, auch heraus. Es waren nicht allzu viele raue Songs darauf zu hören. Da bildeten "Until You're Mine", das schon heftig hart klang, und der rocklastige Song "L.A. Feeding Fire", wo es so richtig kracht, eher die Ausnahme.
Aber das nun folgende Album wird mehr Negative entsprechen, als "War Of Love" und "Sweet & Deceitful" es taten. Es ist ein wirklich tolles Album geworden und ich bin auch sehr stolz darauf...

Finnrock Corner: Ihr habt diesmal wieder mit einem anderen Produzenten zusammengearbeitet. Warum habt ihr euch für diesen Wechsel entschieden und wie war die Zusammenarbeit mit dem "Neuen"?

Jonne: Hiili Hiilesmaa ist ein großes Organisationstalent! Er hat uns dazu ermuntert, wildere Sachen auszuprobieren und aus uns herauszugehen. Er ist ein toller Kerl und arbeitet wirklich sehr professionell. Ich denke, die Arbeit am dritten Album wäre für uns zu einer frustrierenden Angelegenheit geworden, wenn wir an dem alten Muster festgehalten hätten. Man kann es auch so sehen, wir haben nach etwas Neuem Ausschau gehalten, was unsere Musik auch weiterhin interessant macht. Und wir suchen ständig nach neuen Möglichkeiten, um uns im positiven Sinne zu verändern und weiterzuentwickeln, um Änderungen herbeizuführen, die uns als Künstler weiterbringen...

Finnrock Corner: Ist es eventuell vorgesehen, mit einem anderen Künstler zusammenzuarbeiten, wie das mit Ville Laihiala auf "Sweet & Deceitful" der Fall war?

Jonne: Es wird eine Überraschung auf dem Album geben, aber es handelt sich dabei um kein Duett oder dergleichen. Wir haben viel Verrücktes und Neues ausprobiert. Villes Stimme passte einfach perfekt zu "Until You're Mine", aber diesmal war kein neuer Refrain für Ville drin (scherzt Jonne). Wir haben zwölf Songs für das neue Album geschrieben. Auf einen Namen konnten wir uns allerdings noch nicht einigen. Und wir werden sehen, wie viele Songs es dann tatsächlich aufs Album schaffen, entweder zehn oder doch alle zwölf...

Finnrock Corner: Wie siehst du eure musikalische Entwicklung zum Beispiel im Vergleich zum letzten Album? Hat sich etwas Grundlegendes für euch verändert?

Jonne: Dem nächsten Album wird niemand mehr nachsagen können, dass es der Feder eines netten Kerls entstammt. Schon alleine bei den Songtexten ist es diesmal härter zur Sache gegangen. Und die Texte zu schreiben, stellt für mich immer einen der schwierigsten Prozesse dar. Weil wenn du dann wieder Abend für Abend auf die Bühne gehst und diese Songs singst, legst du all deine Gedanken und Gefühle ganz offen auf den Tisch. Eine ziemlich erschreckende Angelegenheit, sein Intimstes mit so vielen Leuten zu teilen. Und dieses Album ist deswegen mehr gerade heraus, weil es sich ganz bewusst mit Themen wie zum Beispiel Angst und Wiedergeburt auseinandersetzt. Und die Texte sind ganz stark von Geschehnissen aus meinem Leben geprägt. Das ist eben meine Art mit weniger schönen Dingen fertig zu werden. Meine Art der Therapie. Und ich würde sagen, wir haben uns mit diesem Album wieder einen Schritt voraus gewagt und kommen dem immer mehr näher, wo wir mit unserer Musik letztendlich hin wollen. Es ist schwierig zu erklären, wie der ganze kreative Prozess im Einzelnen vonstatten geht. Gerade so, wenn man einen Künstler danach fragt, wie er malt. Man muss sich das Album anhören, um zu verstehen...

Finnrock Corner: Gibt es bei euch in der Band eigentlich so eine Art von Ritual, das ihr absolviert, bevor ihr auf die Bühne geht?

Jonne: Nein, eigentlich nicht. Wir bereiten uns eben für die Show vor, jeder auf seine Art. Bei mir kann das folgendermaßen aussehen... Zum Beispiel gestern fühlte ich mich ziemlich schlapp und das machte sich dann bei mir bemerkbar, indem ich ziemlich nervös und unruhig wurde... Die letzten zwanzig bis dreißig Minuten vor der Show verbringe ich eigentlich damit, meine Stimme aufzuwärmen. Und manchmal habe ich davor noch Interviews zu geben. Es kann dann meistens ziemlich hektisch werden, weil die Zeit läuft und läuft. Und du stellst dann auf einmal fest, oh mein Gott, du hast nur noch fünfzehn Minuten Zeit, um deine Stimme in Gang zu bringen, bevor du auf die Bühne musst! Die anderen Jungs verbringen die Zeit währenddessen mit trinken und rauchen...

Finnrock Corner: Negative ist eine Band mit ihrem ganz eigenen Style und Make-up. Wer ist verantwortlich dafür?

Jonne: Wir alle selber und das alles kommt direkt von unseren Herzen. Wir legen keinen Wert darauf, Sachen zu tragen, die gerade "in" sind, sondern wir tragen das, was uns gefällt und bequem ist. Und insbesondere ich liebe die Farben des Regenbogens. Man kann uns quasi wie eine Schüssel bunten Salat betrachten. Oft wurden wir schon danach gefragt, warum wir nicht auch so "schwarz" und düster wie die anderen Bands aus Finnland aussehen. Meine Antwort darauf: Wir sind eben wie eine Schüssel bunter Salat mit Gurken, Tomaten und Oliven drin...

Finnrock Corner: Wer sind so die wichtigsten Personen in deinem Leben?

Jonne: Ganz klar meine beiden Brüder. Sie bedeuten mir sehr viel und sind sehr wichtig für mich. Wir haben eine ganz besondere Beziehung zueinander, wir sind ein gut funktionierendes Team. Und besonders gut verstehe ich mich mit meinem jüngeren Bruder, Ville. Wir können einfach über alles miteinander reden. Es ist toll, ihn zum Bruder zu haben...

Finnrock Corner: Wenn du für einen Tag oder so jemand anders sein könntest, wer würdest du gerne sein und warum?

Jonne: Mir schwebt da jetzt nicht unbedingt eine spezielle Person oder so vor, aber ich wäre gerne einmal eine Frau...

Finnrock Corner: Was für eine Bedeutung hat deine Heimatstadt Tampere speziell für dich?

Jonne: Ich fühle mich sehr mit dieser Stadt verbunden. Immerhin verbringe ich schon mein ganzes Leben dort. Und die meisten meiner Freunde kommen ebenfalls aus Tampere... wie zum Beispiel Teemu. Teemu, der Bassist von Uniklubi. Er ist ein wahnsinnig netter Kerl und wir verstehen uns einfach...

Finnrock Corner: Es kommen so einige erfolgreiche Bands aus Finnland, wie H.I.M., The Rasmus, Nightwish, etc. Finnland scheint schön langsam zum Exportland Nr. 1 für Rockmusik zu werden. Wie siehst du das?

Jonne: Nightwish und H.I.M. konnten sich auch außerhalb Finnlands gut behaupten und sich einen Namen machen. Und dadurch haben sich auch die Türen für andere Bands geöffnet. Aber es ist wirklich hart. Und es herrscht Konkurrenzdruck mitunter zwischen den ganzen Bands. Selbstverständlich möchte jeder gerne für sich beanspruchen, die Nummer Eins zu sein. Das liegt klar auf der Hand...

Finnrock Corner: Wenn du eine Chance hättest, dein Leben noch einmal zu leben, würdest du noch einmal alles genauso machen oder bedauerst du etwas?

Jonne: Ich möchte es anders formulieren. Das Leben an sich ist schon eine coole Sache und ich akzeptiere auch die Fehler darin. Und wäre man jetzt imstande, den einen oder anderen Fehler rückgängig zu machen, wäre ich dann sozusagen um eine Erfahrung ärmer. Und ich muss sagen, dass ich absolut nichts in meinem Leben bedaure...

Finnrock Corner: Was war so der peinlichste Moment in deinem Leben?

Jonne: Schwierige Frage. (Jonne macht ein sehr nachdenkliches Gesicht) Mir persönlich passieren schon ab und an peinliche Sachen. Und gerade auf der Bühne... Einmal passierte es mir, dass ich das Mikrophon mitten unterm Song einfach ausgeschaltet habe. Der Song spielte weiter und ich sang, aber niemand konnte mich mehr hören, weil ja das Mikro aus war... Und einmal vergaß ich den Textanfang von einem Song. Er war schon irgendwie in meinem Kopf, aber ich hatte wohl so etwas wie einen Blackout. Ich konnte mich einfach nicht mehr an das erste Wort erinnern. Aber jemand aus dem Publikum hat es mir dann zugerufen. Ich bin wirklich froh, dass mir das nicht oft passiert...
Und als ich mit dem Rauchen angefangen habe, so im Alter von zehn Jahren, da habe ich alles Mögliche ausprobiert. Und ich habe geglaubt, dass es niemand mitkriegen würde, weder meine Eltern noch mein älterer Bruder. Aber mein älterer Bruder wusste es die ganze Zeit, was los war...

Finnrock Corner: Und jetzt lass uns etwas über eure Fans sprechen... Gibt es da merkliche Unterschiede zwischen den Fans aus den verschiedenen Ländern?

Jonne: Sicherlich, aber weniger jetzt auf die Kultur oder so bezogen. Wir haben schon einige "durchgeknallte" Fans, aber das ist schon okay so. Auch richtig hartnäckige... also vor dieser Tour haben wir zwei Shows in Finnland gespielt. Und fünf oder sechs Mädels haben dort bei minus 20 Grad vor dem Nosturi stundenlang ausgeharrt. Im Sommer oder im Herbst geht es ja noch... aber in den Wintermonaten kann es schon ziemlich hart werden für die Fans...

Finnrock Corner: Und wie ist es so für dich, wenn die Leute dich auf der Straße erkennen?

Jonne: Am Anfang hat es mir schon Schwierigkeiten bereitet, erkannt zu werden, wenn ich privat unterwegs war. In Restaurants oder so, besonders am Wochenende... du setzt dich hin auf ein Bierchen, unterhältst dich mit einem Freund und auf einmal bist du von einer größeren Menschenansammlung umgeben. Deswegen habe ich es dann gelassen und bin unter der Woche losgezogen, da ist nämlich weniger los. Mit der Zeit lernt man einfach, damit umzugehen. Heute gehe ich entspannter mit der Situation um...


Nach dieser Frage wird Jonne von der "Stimme der Vernunft" (Robert in dem Fall) nicht das erste Mal darauf aufmerksam gemacht, dass er sich langsam aber sicher ranhalten muss. An dieser Stelle endet dann also unser Austausch mit Jonne, wenn auch nur ungern. Aber wenn die Pflicht ruft...
Wir bedankten uns für das Interview und nach ein paar Autogrammwünschen, denen Jonne sehr gerne nachkam, hieß es Abschied nehmen. Der etwas erkältete Jonne meinte noch zu uns, wir sollten den heutigen Abend auf alle Fälle genießen. Uns blieb an dieser Stelle nur noch eines übrig, nämlich den Jungs alles Gute für die bevorstehende Show zu wünschen...

Wir möchten es uns an dieser Stelle nicht nehmen lassen, uns noch einmal im Namen unseres Teams recht herzlich bei Jonne, Tommi Liimatainen und Roadrunner Records Deutschland & Holland für alles zu bedanken, ebenso bei Robert K. (Edel Records Wien), der für das Zustandekommen des Interviews und den reibungslosen Ablauf verantwortlich war.


© Interview by Finnrock Corner Team, 18.02.2006 im Gasometer Wien



zurück/back