Zum Interview zog es uns (inklusive Paavo, der sich kurzfristig zu uns hinzugesellt
hatte) nach draußen in die schwüle Mittagshitze. Und man möchte
gar nicht glauben, wie hoch die Temperaturen selbst so weit nördlich Anfang
Juli schon klettern können! Aber nachdem wir die Straße überquert
hatten, steuerte Matthau zielsicher auf eine höhere Baumgruppe zu. Die
Felsblöcke, die überall aus der Erde ragten, verliehen diesem Ort
sogar eine etwas mystische Atmosphäre á la Stonehenge. Und nachdem
das Diktiergerät aufgehört hatte, seine Späße mit uns zu
treiben, konnte es dann endlich losgehen...
Finnrock Corner: Seit du und Paavo die Band gegründet habt, hattet ihr so einige Rückschläge wegzustecken. Ihr hattet zum Beispiel mehrere Wechsel von Bassisten und Ärger mit einem geplatzten Plattenvertrag. Aber ihr habt trotzdem nie aufgegeben. Warum?
Matthau: Für uns war es schon frustrierend nach vorne zu blicken, keine Frage. Doch die Vorliebe fürs Reisen und Musik machen hat uns bei Stange gehalten. Und dies und unsere Musik waren es, was wir schon immer tun wollten. Ich weiß nicht, was uns in der Zeit dazu bewogen hat, trotz allem weiterzumachen. Aber das tun zu können, was wir immer wollten, war für uns an sich schon Belohnung genug. Und in den wirklich harten Jahren, wo die Band durch die Hölle marschiert ist und sie schon endgültig zu zerbrechen drohte, ging es auch wieder aufwärts...
Finnrock Corner: Was war das für ein Gefühl auf derselben Bühne mit Popeda zu stehen und aufzutreten?
Matthau: Das war einfach großartig! Wir spielten drei Shows zusammen Anfang 2006. Es war schon ein Erlebnis auf das wir uns freuten, weil die machen immer noch dieselbe Musik wie schon in den 80ern, als unsere beiden Väter noch in der Band spielten. Und das war schon toll, das einmal miterleben zu können, wie es damals so abging. Wir waren schwer begeistert...
Finnrock Corner: Was bedeutet deine Band "Bloodpit" für dich?
Matthau: Für mich bedeutet die Band vor allem Freiheit.
Freiheit, um das sein und tun zu können, was ich schon immer tun wollte.
Paavo: Freiheit, die es uns erlaubt, Idioten zu sein. (Diese
Aussage ist nur bedingt ernst zu nehmen)
Matthau: Ja, die Freiheit, um ab und zu den absoluten Idioten
heraushängen zu lassen (stimmt er seinem Bandkollegen zu und setzt
einen Gesichtsausdruck auf, der mir verrät, dass er es ebenfalls nicht
ernst meint)...
Finnrock Corner: Welche Künstler und Musiker haben euch am meisten beeinflusst?
Matthau: Therapy?. Das war so das Erste, als wir zusammenkamen, Paavo und ich. Wir waren damals noch Kinder. Therapy? war die Band, die unsere Musik wie auch alles andere beeinflusst hat. Und dann gab es auch noch Metallica und Guns'n'Roses und andere Bands, die uns gefallen haben. Und die Scorpions! (Matthau lacht) Bon Jovi! (Matthau lacht erneut) Aber heute hören wir verschiedene Arten von Musik und auf irgendeine Art und Weise beeinflusst uns alles. Wir versuchen alle diese Elemente dann zusammenzufügen, um daraus etwas Eigenes zu schaffen, was uns entspricht...
Finnrock Corner: Wenn ihr an den Beginn von "Bloodpit" zurückschaut, was hat sich seitdem verändert?
Matthau: Ich schaue immer nach vorne und nie zurück.
Aber seitdem hat sich einfach alles verändert. Wir haben zu viert angefangen
und jetzt ist es eine einzig große Sache...
Paavo sinniert: Mehr Bart und dafür weniger Haare
am Kopf!
Matthau stimmt dem bereitwillig zu: Mehr Bart und
dafür weniger Haare am Kopf!
Finnrock Corner: Ihr spielt einige Instrumente. Welches davon habt ihr am liebsten?
Matthau: Ganz klar meine Stimme. Ich war eigentlich schon
immer ein Sänger. Als ich so elf oder zwölf Jahre alt war, entschloss
ich mich kurzerhand, Sänger einer Band zu werden. Und als meine Gitarre
bei einem Unfall kaputt ging, versuchte ich das fehlende Gitarrenspiel durch
meinen Gesang zu ersetzen. Da wurde mir klar, dass darin meine eigentliche Stärke
liegt...
Matthau wendet sich Paavo zu und fragt ihn: Was ist dein Lieblingsinstrument?
Paavo: Eigentlich spiele ich am liebsten Gitarre.
Finnrock Corner: Bloodpit steht für keine oberflächliche Musik und ihr scheut auch nicht davor zurück gesellschaftskritisch zu werden. Was wollt ihr mit eurer Musik zum Ausdruck bringen und verbirgt sich dahinter eine bestimmte Botschaft?
Matthau: Hinter unseren Songs verbirgt sich absolut keine Botschaft. Wir waren noch nie daran interessiert, Politik oder ähnliche Themen in unsere Musik einfließen zu lassen. Aber wenn man unsere Musik hört, werden ganz automatisch die verschiedensten Gefühle wie Wut, Freude, Hass oder Liebe geweckt. Das ist es, was wir mit unserer Musik versuchen zu erreichen...
Finnrock Corner: Hat es dich in irgendeiner Weise beeinflusst, dass dein Vater ebenfalls ein Musiker war?
Matthau: Ja, das hat es. (Matthau zeigt auf Paavo) Unsere Väter haben beide in derselben Band gespielt. Und klar, dass so etwas nicht spurlos an einem vorüber geht. Ich habe zu meinem Vater immer aufgeschaut. Für mich war er einfach mein Superheld!
Finnrock Corner: Kannst du dir vorstellen, für den Rest deines Lebens als Musiker zu arbeiten?
Matthau: Ja, das kann ich mir sehr gut vorstellen und bestimmt wird es auch so sein. Ob es nun aber für immer mit Bloodpit zusammen sein wird, lässt sich heute noch nicht sagen. Zurzeit sind wir alle glücklich, dass wir zusammen sind und das tun können, was uns Spaß macht. Aber was in zehn Jahren sein wird, das weiß niemand. Aber wir werden wohl alle irgendwie am Musikgeschäft festhalten. Und Paavo und ich schreiben fast ununterbrochen an neuen Songs, wir treten auf und dann wird ordentlich Party gemacht auf der Bühne...
Finnrock Corner: Kannst du dir vorstellen, mit deinem Bruder Jukka (Sir Christus) wieder einmal etwas gemeinsam auf die Beine zu stellen? Wie zum Beispiel den spontanen Akustik-Gig im Februar 2006? Erzähle uns ein bisschen davon.
Matthau: Wir haben vor einigen Jahren zusammen am Liedmaterial für Bloodpit gebastelt, aber es hat nicht wirklich funktioniert. Und bei diesem einen Auftritt gab es praktisch kein Publikum, nur eine handvoll Leute, die eben gerade zufällig dort waren. Und es war wirklich nichts, was wir lange geplant oder gar vorbereitet haben. Aber es hat Spaß gemacht und ich schließe an dieser Stelle eine Wiederholung keinesfalls aus. Man wird sehen...
Finnrock Corner: Siehst du dich selber als einen Vollblut-Rockmusiker?
Matthau: Ich denke schon. Aber an dem ganzen Drumherum, was
dem Rock'n'Roll so nachgesagt wird, bin ich nicht wirklich interessiert. Ich
trinke keinen Alkohol, nehme keine Drogen und dergleichen. Die Musik steht bei
mir im Vordergrund. Aber natürlich interessiere ich mich fürs weibliche
Geschlecht und habe Spaß am Sex. Von den anderen "Drogen" lasse
ich besser die Finger, weil es dumm wäre. Und ich gehöre auch nicht
zu den Typen, die durch die Gegend rennen und andauernd Rock'n'Roll schreien.
Das sind für mich allesamt Idioten!
Und wenn ich so auf die 80er und die Rockszene von L.A. von einst zurückblicke,
muss ich sagen, dass ich damit nichts gemein habe. Weil ich wurde eben nicht
dort geboren und habe auch ansonsten nichts damit zu schaffen, weil ich in den
80ern noch ein kleiner Junge war. Aber als wir in L.A. waren, habe ich mir dort
im Fernsehen eine Dokumentation über Heavy-Metal-Bands aus der Zeit angesehen.
Und das entspricht simpel ausgedrückt nicht dem, was ich sein möchte...
Finnrock Corner: Was schätzt du am meisten an der Rock-Szene?
Matthau: Ich kriege einzig und alleine das mit, was wir tun und an welche Platz es uns verschlägt. Und ich betrachte die Rockszene sowieso nicht als ein großes Ganzes. Alles was für mich zählt sind wir. Und ansonsten lässt mich alles andere ziemlich kalt...
Finnrock Corner: Wo spielt ihr am liebsten? In Clubs oder auf Festivals?
Matthau: Beides würde ich sagen. Wenn du in Clubs spielst, da ist die Atmosphäre aber um vieles intensiver und auch persönlicher im Gegensatz zu den beispielsweise großen Festivals, wo du eine Menge Zuschauer hast. In den kleinen Clubs, da gehst du quasi für eine bestimmte Zeit eine Verbindung mit deinem Publikum ein und du kannst dir da auch sicher sein, dass sie dich sehen wollen, weil sie sich ein Ticket gekauft haben. Soviel zum Unterschied. Aber ich mache beides wirklich ausgesprochen gerne. Und ich freue mich schon sehr auf den Auftritt heute...
Finnrock Corner: Was glaubt du, woran es liegt, dass gerade aus Finnland so viele gute Rockbands kommen?
Matthau: Zurzeit gibt es so einige Rock-Metal-Bands, die gerade außerhalb von Finnland sehr angesagt sind. Ich habe mir sagen lassen, dass die Leute die Musik aus Finnland als besonders frisch und unverbraucht empfinden. Ansonsten hätte ich keine Erklärung dafür, warum Bands aus Finnland gerade so stark im Kommen sind. Aber natürlich erschließen sich Bands wie uns dadurch großartige Möglichkeiten...
Finnrock Corner: Es sind Ende letzten Jahres Gerüchte laut geworden, dass sämtliche Bands in Tampere ihre Proberäume verlieren würden... Wie habt ihr den Ärger um eure Proberäume im Oktober 2005 so erlebt?
Matthau: Es hat zwar etliche Verwirrungen gegeben, aber für uns ist alles beim Alten geblieben. Wir üben immer noch in denselben Räumlichkeiten. Von daher ist alles okay...
Finnrock Corner: Gibt es da etwas, was ihr euren Fans vielleicht sagen möchtet?
Matthau: Klar, ich möchte mich bei Euch bedanken. Herzlichen Dank für Eure Unterstützung, die ihr uns in unterschiedlicher Art und Weise zukommen lasst! Unsere Fans waren immer fair zu uns und was wir machen, tun wir für sie. Letzten Endes bezahlen sie unsere Rechnungen, also arbeiten wir für sie. Noch einmal herzlichen Dank an unsere Fangemeinde!
Hier endet unser "Frage-Antwort-Spiel" mit Bloodpit. Wir bedanken
uns für ihre ehrliche Art von Seelen-Striptease und verabschieden uns fürs
Erste, um in unser Hotel zurückzufahren, im Hinterkopf aber schon die Vorfreude
auf den näher rückenden Gig in nicht einmal drei Stunden...
Wir möchten uns an dieser Stelle noch einmal auch im Namen unseres Teams
recht herzlich bei Matthau & Paavo bedanken, dass sie sich Zeit genommen
haben, unsere Fragen zu beantworten, und ebenso bei Matti Lehtonen (Beemvees),
der für das Zustandekommen des Interviews, den reibungslosen Ablauf und
das anschließende Shooting verantwortlich war.
Anmerkung d. Autors: Herzlichen Dank für Eure Kooperation!
Ihr seid ein schräger Haufen, aber das tut der Sympathie, die ihr ausstrahlt,
keinerlei Abbruch. Hat mir Freude bereitet, das mit euch zu machen!